Zweite Chance für die Liebe

Zweite Chance für die Liebe

Es gibt so eine ganze Reihe abgedroschener Sprüche. Meistens haben sie einen wahren Kern, sonst würde es sie ja auch nicht geben, doch wenn wieder einmal jemand einen von ihnen hervorkramt, sorgt das in der Regel für genervtes Aufstöhnen und Augen verdrehen.

Ein ganz besonderes Beispiel hierfür ist die Aussage »Man sieht sich immer zweimal im Leben«. Die Bedeutung ist klar: Man sollte darauf achten, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht, denn irgendwann kommt es zu einer erneuten Begegnung und dann kann alles auf einen zurückfallen.

Den Wahrheitsgehalt dieser Worte musste Becca an diesem verhängnisvollen Abend erkennen, der eigentlich gar nicht so übel begonnen hatte.

Es war ein Freitag. Sie arbeitete die übliche Abendschicht in der Kneipe Durstlöscher, wie schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Tatsächlich konnte sie gar nicht genau sagen, wann sie hier begonnen hatte, doch darüber nachzudenken war in der Regel sowieso nicht nötig. Sie liebte es hier zu sein, sie liebte ihren Job, und das war alles, was zählte.

»Läuft gut so weit, oder?« Leo stupste ihr leicht in die Seite, als er neben sie trat und begann, ein paar Gläser Bier zu zapfen.

Becca nickte zustimmend. »Jep.« Sie selber mixte gerade ein Tablett voller Cocktails für eine gackernde Mädelsclique, die es sich am größten Tisch in der Ecke gemütlich gemacht hatte. Die meisten Gesichter waren ihr bekannt, kein Wunder, bestand doch der Großteil der Kundschaft aus Stammgästen, die gerne wiederkamen.

»Das Wetter kommt uns zugute.« Leo machte eine kurze Pause, wischte sich über die Stirn und tat so, als würde er sich eine Hand voll Schweiß entfernen.

Becca wusste sofort, was er meinte. Es war Sommer und den Großteil des Tages hatte eine leicht schwüle, heiße Luft für gute Laune gesorgt. Mittlerweile entlud sich die Spannung des Tages in immer wiederkehrenden Gewittern und ein beständiger Sommerregen ergoss sich zischend über der Stadt. Viele der Bummler wurden in die Geschäfte getrieben. Läden wie der Durstlöscher, die über einen großen Innenraum verfügten, profitierten davon, viele Kneipen der Innenstadt, die ihre Flächen im Sommer nach draußen vergrößerten, hatten ihr Nachsehen. Neben den vielen Stammgästen befanden sich auch einige neue Kunden unter den Leuten und Leo, Becca und die anderen hatten mehr als genug zu tun. »Du sagst es«, zwitscherte sie ihrem Kollegen zu und schwang das Tablett in die Höhe.

Wie üblich flitzte sie schnell und elegant durch die Menge. Das Gewicht der Gläser merkte sie kaum, dafür war sie zu trainiert. Wenn man Vollzeit in einer Kneipe arbeitete, die insbesondere am Wochenende nahezu ständig gut gefüllt war, gewöhnte man sich an so etwas, genauso wie an das Abwehren angetrunkener Männer auf Kuschelkurs und das allgegenwärtige freundliche Lächeln, das sich direkt auf das Trinkgeld auswirkte.

Damals, als Becca hier angefangen hatte, war es nicht mehr gewesen als der Versuch, Ablenkung im Leben zu finden, ein kleiner Nebenjob, nichts anderes. Nun übte sie ihn mit Leib und Seele aus und daran Schuld war nicht zuletzt ihre Chefin, die mittlerweile so etwas wie ihre beste Freundin war.

Die Zeit verging wie im Flug. Nur wenige Pöbler waren unterwegs, kaum unfreundliche Menschen, und das war fast schon ein Wunder bei dem drückenden Wetter. Becca wertete es als gutes Omen für das Wochenende, denn sie würde auch am Folgetag die lange Abendschicht übernehmen und hatte nichts gegen einen ruhigen Verlauf.

Es war vielleicht zehn Uhr, als sich ein neuer Gast an die Theke schob. Dampfend vom Regen draußen und leicht außer Atem, setzte er sich auf den Barhocker direkt vor Becca, die gerade den Vorrat an Zitronenscheiben auffüllte.

»Nabend«, murmelte eine männliche Stimme und riss Becca so aus ihren Gedanken, denen sie für kurze Zeit verfallen war.

Erschrocken hob sie den Blick, bereit für ein Lächeln und den üblichen Spruch, als alles in ihr gefror.

 

Schreiben - das ist mein Traum, mein Lebensinhalt. Seit 2013 veröffentliche ich meine Geschichten. Weil es Spaß macht und weil ich euch schöne Stunden bescheren möchte!

Mein Leitspruch:


"Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch tun."
(Walt Disney)

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